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Konferenz/Tagung/Workshop

„Auf der Suche nach den Tatsachen. Interdisziplinäre Perspektiven auf Materialität, Vielfalt und Flüchtigkeit wissenschaftlichen und technischen Wissens“

INSIST (Interdisciplinary Network for Studies Investigating Science and Technology)

22./23. October 2014
Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung

„Auf der Suche nach den Tatsachen. Interdisziplinäre Perspektiven auf Materialität, Vielfalt und Flüchtigkeit wissenschaftlichen und technischen Wissens“

Seit ihrer Entstehung beleuchtet die Wissenschafts- und Technikforschung auf vielfältige Weise Prozesse, an deren Ende intersubjektiv bewertbare Aussagen über die Welt stehen. Sie entfaltete ihr kritisches Potential zunächst dort, wo in der spätmodernen Wissensgesellschaft mit dem Verweis auf Fakten und Experten politische Entscheidungen getroffen und gesellschaftliche Wertfragen entschieden werden. Unlängst hat sich ihr dekonstruierender Blick auf das gesamte Spektrum menschlicher Wissensformen und materieller Lebensgrundlagen ausgeweitet. Die Skepsis gegenüber allem, was den Anspruch erhebt, eine Tatsache zu sein, gehört zum Grundkonsens und Gründungsmythos der Wissenschafts- und Technikforschung. Geht in diesem Sinne die neue Gefahr für den aufgeklärten Diskurs der Gegenwart womöglich nicht mehr von dem naiven Glauben an ideologische Dogmen aus, die als Tatsachen daher kommen, sondern vielmehr vom allgegenwärtigen Misstrauen gegenüber Tatsachen, die fälschlicherweise für verborgene Ideologien gehalten werden, wie Bruno Latour behauptete? Wurden alle großen Geheimnisse um die „Tatsachen“ also bereits gelüftet oder sind nicht sogar noch neue hinzugekommen?

Vieles spricht dafür, den Tatsachen weiterhin auf den Leib zu rücken. Aktuelle Debatten, wie beispielsweise die Diskussion um die Materialität der Dinge, illustrieren treffend, wie schnell disziplinär einseitige Betrachtungen auch heute noch an ihre Grenzen stoßen. Tat-Sachen kommen nämlich nicht nur als technische Artefakte daher, deren sensuelle Dimensionen schon lange Zeit vernachlässigt worden sind, sondern auch als weniger greifbare Entitäten wie Ideen, Modelle und Visionen. Darüber hinaus wurden klassische Theorien zur Entstehung von Neuheit, Konstruktion gesellschaftlicher Semantiken und Stabilisierung heterogener Gemengelagen erfolgreich von der Betrachtung der Wissenschaft auf andere institutionelle Bereiche der Gesellschaft übertragen. Ähnlich wie physikalische Naturgesetze lassen sich auch Staaten, Märkte und soziotechnische Infrastrukturen in ihren Materialitäten und Epistemologien auf neue Weise abbilden. Selbst das Labor als Schauplatz zahlreicher ethnografischer Fallstudien birgt noch Erkenntnispotentiale.

Schlussendlich hat die Wissenschafts- und Technikforschung gezeigt, dass sich kaum etwas so schnell ändert, wie die Welt der Tatsachen. Ihre Betrachtung muss mithalten mit den zunehmenden Widersprüchen zwischen Globalisierung und Vielfalt, zwischen Rationalisierung und Skepsis, zwischen Tradition und Differenzierung. Westlich geprägte Disziplinen wie die Philosophie, Geschichte und Soziologie sind dazu aufgerufen ihre Narrative, Denkweisen und Methoden zu hinterfragen, um auch die – teilweise konkurrierenden – Tatsachen erfassen zu können, die die aufstrebenden Gesellschaften anderer Kulturkreise hervorbringen.

Das interdisziplinäre Nachwuchsnetzwerk INSIST begibt sich auf seiner ersten Nachwuchstagung auf die Suche nach den Tatsachen in Wissenschaft und Technik, die trotz der lange bestehenden Forschungstraditionen in Soziologie, Geschichte, Philosophie und STS weiterhin viele Rätsel aufgeben. Gefragt sind empirische sowie konzeptionelle Beiträge von angehenden Forscherinnen und Forschern, die sich mit dem Tagungsthema auseinander setzen. Damit richtet sich die Konferenz an Promovierende, Postdocs und ausdrücklich auch an Studierende.

In diesem Sinne werden Beiträge eingeladen, die sich beispielsweise mit einem oder mehreren der folgenden oder ähnlichen Fragekomplexen beschäftigen:

  • Genese und Gültigkeit von Tatsachen
    Wie lässt sich der Entstehungsprozess von Tatsachen methodisch und konzeptionell durchleuchten? Was sind die Grenzen klassischer Ansätze und wie lassen sich diese mit aktuellen Erkenntnissen erweitern? Wie verändert sich der Zugang zu Tatsachen, wenn sich die epistemischen Kontexte ändern, aus denen sie hervor gehen (Transdisziplinarität, Post-normal science, Big Data, etc.)?
  • Wissenschafts- und Technikforschung als Tatsachen
    Welche Rolle spielen Geistes- und Sozialwissenschaften bei der Herstellung wissenschaftlicher und technischer Realitäten? Wie stellen sie ihre Tatsachen im Kontrast zu den Natur- und Lebenswissenschaften her? Was bedeutet reflexives Forschen und wie lässt sich der Anspruch an Transparenz und Offenheit einlösen, der oftmals von den Naturwissenschaften eingefordert wird?
  • Dinge als Tatsachen
    Wie unterscheiden sich wissenschaftliche Tatsachen von materiellen bzw. technischen Realitäten? Inwiefern verändern Technologien wissenschaftliche Paradigmen (Technoscience)? Mit welchen methodischen und theoretischen Ansätzen können Wissenschafts- und Technikforschung integriert werden? Welchen Stellenwert haben soziotechnische Imagination und Szenarien bei der Integration technischer Systeme in die soziale Wirklichkeit – und vice versa?
  • Globalisierung von Tatsachen
    Was passiert mit Tatsachen, wenn sie ihren kulturellen Entstehungskontext verlassen? Wie müssen westliche Denkweisen, Normen und Narrative von Tatsachen modifiziert werden, um den Kommunikations- und Lebenswirklichkeiten in den Regionen außerhalb Europas und Nordamerikas gerecht zu werden?

Ziele und Programm
INSIST bietet der jungen Community im Bereich der Wissenschafts- und Technikforschung ein offenes Forum zum fachlichen Austausch und informellen Kennenlernen. Jenseits der inhaltlichen Diskussionen über laufende Projekte und Qualifikationsarbeiten dreht sich die INSIST-Tagung daher auch um alle Fragen rund um das akademische Leben und Arbeiten. Es wird ausreichend Gelegenheit zum Austausch über gemeinsame Interessen und praktische Forschungsprobleme außerhalb der Präsentationssessions geben.

Keynote
Prof. Dr. Stefan Beck vom Institut für Europäische Ethnologie (HU Berlin) wird als Keynotespeaker den Auftakt der Tagung am 22. Oktober begehen.

Workshops
Zudem wird es zwei parallele Workshops geben. Zum einen ein Workshop zu qualitativen Methoden in der Wissenschafts- und Technikforschung, zum anderen ein Praxisworkshop zu Online-Wissenschaftskommunikation (unterstützt durch das NaWik).

Beiträge und Formate
Abstracts von max. 300 Wörtern inklusive 5 Schlagworten können bis zum 31. Mai an folgende E-Mail Adresse geschickt werden: call-tatsachen(at)insist-network.com.

Die EinsenderInnen werden bis zum 30. Juni über die Annahme informiert.

Neben Vorträgen werden auch Slots für Poster sowie unkonventionelle Formate, wie beispielsweise selbst gedrehte Filme, Multimedia Präsentationen, Lecture Performances oder andere künstlerische bzw. mediale Darstellungsformen vergeben. Beiträge dieser Art sollten mit einer konzeptionellen Beschreibung eingereicht werden aus der sowohl der Inhalt, der Bezug zum Thema der Tagung sowie die technischen Anforderungen an eine Präsentation der Arbeit auf der Tagung hervorgehen (max. 300 Wörter).

Veröffentlicht am 13.05.2014