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Ausstellung „Das (un)schuldige Auge. Orientbilder in der frühen Fotografie (1839-1911)“

Georg-August-Universität Göttingen
Ausstellung „Das (un)schuldige Auge. Orientbilder in der frühen Fotografie (1839-1911)“

Wie prägen visuelle Medien unser Wissen und unsere Vorstellungen von fremden Kulturen? Und wie verändert sich dieses Wissen durch neue technische Medien? Die Ausstellung untersucht diese Frage am Beispiel der Fotografie, die seit ihrer Erfindung 1839 rasch zum Leitmedium einer neuen globalen Wissensgesellschaft aufstieg und bis heute die gegenseitige Wahrnehmung von Kulturen prägt. Bereits in den Weltausstellungen der 1850er Jahre hatte sie ihren festen Platz durch die Fähigkeit, schneller, billiger und scheinbar zuverlässiger als bisher Wissen über ferne Orte und Kulturen zu vermitteln.

Das »Morgenland« war der erste Kulturraum, mit dem Europa durch die Fotografie intensiv konfrontiert wurde: eine mit Phantasmen aufgeladene Gegenwelt, die bereits in den Zeiten von Türkengefahr und Aufklärung visuell präsent war und nun in den Radius einer technischen, von Tourismus, Wissenschaft und Kolonialpolitik stimulierten Bildproduktion geriet. Bereits 1839 brachen Amateurfotografen nach Kairo, Konstantinopel oder Jerusalem auf, unter ihnen Künstler und Wissenschaftler, Journalisten und Verleger. Wie alle Bildmedien kann die Fotografie ebenso aufklärend wirken wie manipulativ. Anders als Maler oder Illustratoren konnten die Fotografen ihren Orient nicht visionär erschaffen, aber dokumentieren, inszenieren, arrangieren und durch die Wahl der Motive den Erwartungen ihres Publikums anpassen. Der größere Authentizitätsanspruch der Fotografie war dabei ebenso Informationsquelle wie trügerische Gewissheit. Mit ihm wurde die Orientfotografie zum Instrument der Wissenschaft, für Archäologen, Ethnographen oder Bibelkundler, zugleich aber zur Quelle neuer Stereotypen, die in den Gesellschaften des Nahen Ostens nur das Fremde und Pittoreske wahrnahmen. Diese Tendenz, kulturelle Differenzen zu überhöhen, beherrscht das Orientbild bis heute. Die Ausstellung möchte über diesen Gebrauch von Bildern aufklären, indem sie die fotografische Erschließung des Nahen Ostens vor 1914 sowie dessen visuelle Repräsentation in Tourismus, Kolonialpolitik und Wissenschaft untersucht. Zu den über 130 Exponaten gehören Pionierwerke der Fotografiegeschichte von Maxime du Camp, Francis Frith, Wilhelm Hammerschmidt, Otto Schoefft, Emile Béchard oder dem arabischen Fotografen Muhammad Sadiq Bey. Hinzu kommen unpublizierte Aufnahmen von führenden Orientwissenschaftlern wie Friedrich Sarre, Gustav Dalman oder Hans Herzfeld, die bei ihren Feldforschungen einen anderen Blick auf Menschen und Kulturen erhielten. Den Abschluss bilden die jüdische Fotografie und der 1911 gedrehte »First Film of Palestine«.

Zur Ausstellung erscheint im Imhof-Verlag Petersberg ein begleitender Katalog.

Ausstellungsdauer
23. April bis 17. September 2017

Ort
Kunstsammlung der Georg-August-Universität Göttingen, Auditorium, Weender Landstr. 2, 37073 Göttingen

Öffnungszeiten im Rahmen der »Sonntagsspaziergänge«
Sonntag 10 bis 16 Uhr, Führungen nach Vereinbarung (kunsts(at)gwdg.de)

Veröffentlicht am 06.07.2017