Praxisberichte

Digitalisierung, Lehre

„Lehre in Bildern" - Modellprojekt zu Lehrtafeln am Zentralmagazin Naturwissenschaftlicher Sammlungen der Universität Halle-Wittenberg

Bericht von Dr. Frank Steinheimer, Projektleiter
Veröffentlicht am 13.12.2013
Beispiel einer handgezeichneten Tafel in Mischtechnik aus dem späten 19. Jahrhundert. Foto: M. Scholz, 2013

Beispiel einer handgezeichneten Tafel in Mischtechnik aus dem späten 19. Jahrhundert. Foto: M. Scholz, 2013

Das Zentralmagazin Naturwissenschaftlicher Sammlungen der Universität Halle-Wittenberg besitzt eine deutschlandweit einmalige Sammlung von 1800 Lehrtafeln aus den Naturwissenschaften mit ca. 60% handgezeichneten Unikaten aus den Jahren 1875 bis 1970. Im Rahmen des neu angelegten Modellprojekts „Lehre in Bildern“ sollen die Tafeln wieder verstärkt für Lehre und Forschung genutzt werden. Gefördert wird das Projekt durch die Koordinierungsstelle für die Erhaltung des schriftlichen Kulturguts (KEK).

Lehrtafeln sind im aktuellen universitären Kontext als großformatige, erklärende Illustration von Forschung im Kurs- bzw. Hörsaal vielfach durch digitale Medien verdrängt worden. Im Modellprojekt werden durch die Änderung des Kontextes die Lehrtafeln nun selbst zum Forschungs- und Lehrobjekt. Hierbei soll fächerübergreifend Studierenden angeboten werden, über ihre eigene Disziplin hinweg und in Austausch zwischen Museologie, Didaktik, Design, Kunst-, Kultur- und Naturwissenschaften Lehrtafeln in allen Facetten zu erforschen. Benutzt werden können sie aber auch etwa durch Kulturwissenschaftler, die die Tafeln museologisch und kulturhistorisch bewerten. Mehr als die Hälfte der Tafeln sind für bestimmte Professuren extra angefertigt worden.

Mit der Unterstützung der KEK konnten nicht nur wichtige Tafeln restauriert und erhalten werden. Der gesamte Bestand wurde digitalisiert und soll in Zukunft über das neue Web-Portal für Lehrtafeln am Hermann von Helmholtz-Zentrum für Kulturtechnik in Berlin frei zugänglich gemacht werden.

Zustand vor Beginn des Projekts: handgezeichnete Lehrtafeln auf dem Dachboden des Zentralmagazins Naturwissenschaftlicher Sammlungen in Halle (Saale): viele zerrissene Tafeln benötigen dringend eine Papierrestaurierung. Foto: F. Steinheimer, 2012

Zustand vor Beginn des Projekts: handgezeichnete Lehrtafeln auf dem Dachboden des Zentralmagazins Naturwissenschaftlicher Sammlungen in Halle (Saale): viele zerrissene Tafeln benötigen dringend eine Papierrestaurierung. Foto: F. Steinheimer, 2012

Die Praxis hat gezeigt, dass die aufwendigen Verfahren von großflächigem Einscannen mit Unterdruck zum Glätten der Tafeln extrem teuer sind. Ökonomischer war es daher, mit einem Team von 9 Personen die Lehrtafeln durch einen professionellen Fotografen abfotografieren zu lassen. Um ähnliche Bildqualitäten zu erreichen wurden die Tafeln unter Studiobedingungen in einem dunklen Raum vor mattschwarzen Hintergrund gehängt. Dazu dienten verschiedene fest installierte Hängevorrichtungen in entsprechender Höhe, die ein Aufhängen von Tafeln mit Aufhängehaken, mit Aufhängeband und mit schlichter Bestabung ohne Aufhängung ermöglichten. Wichtig war, dass die Tafeln durch angebrachte Gewichte (zum Anhängen / Festklemmen an die untere Bestabung) absolut geglättet wurden. Bruchstellen wurden mit einem langen dünnen Stab in Position gebracht. Sehr fragile Tafeln konnten erst nach der Papierrestaurierung fotografiert werden. Zu Beachten war zudem, dass die Tafeln nicht frei vor dem Hintergrund hingen, sondern großflächig Kontakt zum Hintergrund hatten, weil sonst minimale Luftbewegungen unscharfe Bilder bei langen Auslösezeiten erzeugt hätten. Letzt endlich kamen Stückpreise exzellenter Fotos von unter einem Euro zustande, da der Fotograf im Schnitt alle 30 Sekunden ein Foto erstellen konnte.

Digitalisierungsarbeit durch einen professionellen Fotografen. Foto: F. Steinheimer, 2013

Digitalisierungsarbeit durch einen professionellen Fotografen. Foto: F. Steinheimer, 2013

Das Team bestand aus

  • einer Person, die die Tafeln aus dem Magazin brachte,
  • einer Person, die die Tafel an einem Kartenständer entrollte und vermaß,
  • einer Person, die diese Daten und alle Aufschriften in eine Datenbank eingab,
  • einer Person die alle Notizen der Rückseiten fotografierte, zum späteren Eintrag bzw. Abgleich in der Datenbank,
  • einer Person, die vorgefertigte Inventarnummern anbrachte,
  • einer Person, die die Tafeln vor den Hintergrund aufhängte und Gewichte anbrachte,
  • einer Person, die Gewichte und Lehrtafel abnahm,
  • einer Person, die die Tafeln aufrollte und ins Magazin zurückbrachte,
  • und einem professionellen Fotografen.

Für die Papierrestaurierung wurden die Tafeln zu einer Werkstatt nach Berlin gebracht. Hierbei darf nicht unterschätzt werden, welche Gewichte und Umfang Lehrtafeln annehmen, wenn diese zu großen Stückzahlen geladen werden. Vor Schwierigkeiten stellte uns die Hängungen von nicht rollbaren Lehrtafeln in einem Fahrzeug. Folgende Gewichte haben wir für unsere Tafeln ermittelt:

  • normale Lehrtafel aus Papier (zumeist handgezeichnete) = ca. 900 g
  • überlange Lehrtafeln auf Papier (zumeist handgezeichnete) = bis 1600 g
  • alte Lehrtafeln auf Leinwand (zumeist gedruckte Tafeln um 1900) = ca. 1400g
  • geographische Karte in Großformaten (gedruckt, nach 1945) = bis 2500 g [diese sind allerdings nicht Teil des oben genannten Bestands bzw. des Projekts].

Bei der Papierrestaurierung werden alle nachträglichen Klebungen wieder entfernt, die Tafeln mit Trockenschwämmen und Radiergummi gereinigt, dann flächendeckend mit säurefreiem Japanpapier oder Leinwand hinterklebt und trocken gepresst, harzende Bestabungen durch nichtharzende Hölzer getauscht und Schadstellen gefestigt. Durch den hohen Arbeits- und Materialaufwand sind Restaurierungen relativ teuer. Das ZNS hatte deshalb überlegt, die Pressen und Spannrahmen selbst anzuschaffen, musste aber feststellen, dass die Anschaffung der Geräte und die mit der Handarbeit verbundenen Zeitbudgets der Mitarbeiter sich bei einem Bestand von 1800 Tafeln nicht als ökonomisch erwiesen.

Für die fachgerechte Unterbringung wurde beschlossen, dass alle Tafeln ungerollt und gehängt aufbewahrt werden, solange die Hängung keine Gefährdung der Tafel durch Zerreißen bedingt. Rissgefährdete Tafeln müssen zum Restaurator und können erst danach gehängt werden. Die Aufhängung der Tafeln wird auf Grund der hohen Gewichte direkt an die tragenden Balken des Hauses angebracht. Es sollen dafür Schienen mit frei beweglichen Aufhängehaken Verwendung finden – ähnlich einer Vorhangsstange. Der fensterlose und daher lichtdichte Raum selbst wird nicht klimatisiert werden. Da es sich um einen historischen Baukörper mit dicken Wänden aus dem Jahr 1838 handelt, wird es zukünftig nur eine Außendämmung der darüberliegenden Dachflächen geben. Damit wird die Temperaturtagesamplitude sehr klein gehalten, die Jahresamplitude aber darf eine gewisse Fluktuation mitmachen. Dazu bleiben die historischen Durchlüftungsnischen erhalten. Gegen zu hohe Feuchtigkeit im Sommer und zu niedrige Feuchtigkeit bei Frosttagen im Winter wird mit einem Raumentfeuchter bzw. Befeuchter entgegen gewirkt. Das ist weitaus ökonomischer, als das dauerhafte Betreiben einer Klimaanlage, die zudem in ein historisch gewachsenes Raumklima eingreifen würde – eine Auswirkung, die schwer abzuschätzen wäre.

Ansprechpartner:
Dr. Frank Steinheimer, frank.steinheimer(at)zns.uni-halle.de