Praxisberichte

Digitalisierung, Forschung, Lehre

Studiengruppe „sammeln, ordnen, darstellen“ an der Goethe-Universität Frankfurt am Main

Bericht von Judith Blume, Dr. Vera Hierholzer und Dr. Lisa Regazzoni
Veröffentlicht am 18.11.2013
Besichtigung der Archäobotanischen Sammlung durch die Studiengruppe, Foto: Tom Stern, © Goethe-Universität Frankfurt am Main

Besichtigung der Archäobotanischen Sammlung durch die Studiengruppe, Foto: Tom Stern, © Goethe-Universität Frankfurt am Main

Auch wenn die Frankfurter Goethe-Universität mit ihren bald 100 Jahren zu den jüngeren Universitäten des Landes gehört, verfügt sie über eine wechselvolle Geschichte, die sich nicht zuletzt in ihren reichhaltigen wissenschaftlichen Sammlungen niederschlägt. An den Fachbereichen, im Universitätsarchiv und an der Universitätsbibliothek finden sich rund 40 Sammlungen, die ein breites Spektrum an Objektarten und Materialitäten umfassen. Teils noch aktiv in Lehre und Forschung einbezogen und in ständiger Erweiterung begriffen, teils fast vergessen in Kellerregalen schlummernd, haben sie ganz unterschiedliche Entstehungs- und Überlieferungsgeschichten, Funktionen und Erschließungszustände.

Diesen vielfältigen Beständen der Frankfurter Universität widmet sich seit nunmehr fast drei Jahren die Studiengruppe „sammeln, ordnen, darstellen“ am Forschungszentrum für historische Geisteswissenschaften. Unter der Leitung von Judith Blume, Dr. Vera Hierholzer und Dr. Lisa Regazzoni diskutieren hier Studierende aus einer wachsenden Zahl unterschiedlicher Studiengänge über neuere Forschungen zu wissenschaftlichen Sammlungen. Dies bildet den Hintergrund für die praktische Arbeit an den Frankfurter Objektbeständen, die vor allem in dem Aufbau einer sammlungsübergreifenden Online-Plattform besteht.

Als grundlegende Aufgabe hat sich die Studiengruppe zunächst die systematische Erfassung der verstreuten, teils nicht einmal am eigenen Fachbereich bekannten Objektbestände gestellt. Sukzessive besichtigt die Studiengruppe die verschiedenen Sammlungen; die Bestandsbetreuer/innen geben einen Überblick über ihre jeweilige Struktur und bieten eine Einführung in die Arbeitsweise und Geschichte ihrer Disziplin. Ergänzend organisiert die Gruppe in einem losen Turnus Treffen mit den zuständigen Sammlungsverantwortlichen und veranstaltet Werkstattgespräche mit Expert/innen aus Museen und Forschungseinrichtungen zu wichtigen Fragestellungen des Forschens und Arbeitens mit Sammlungen. Sie möchte auf diese Weise zur Vernetzung der Sammlungen beitragen und den Austausch unter ihren Kurator/innen fördern.

Screenshot der Startseite zur Online-Plattform – Entwurf, © Goethe-Universität Frankfurt am Main
Screenshot der Startseite zur Online-Plattform – Entwurf,
© Goethe-Universität Frankfurt am Main

Dieses Anliegen ist auch leitend bei der Konzeption des zentralen, internetbasierten Sammlungs-Portals für die Frankfurter Universität. Es soll die vielfältigen Objektsammlungen erstmals gemeinsam präsentieren, sie miteinander in Beziehung setzen und damit ihre fächerübergreifende Einbindung in Forschung und Lehre anstoßen und unterstützen. Die Online-Plattform will uni-interne, aber auch externe Interessenten für die Bedeutung und Reichhaltigkeit der Sammlungen sensibilisieren und Möglichkeiten zur Zusammenarbeit eröffnen.

Die Plattform ist nicht nur ein Informationsportal, das inhaltliche Angaben
zu den Sammlungsbeständen bündelt, sondern die Veröffentlichung der gemeinsamen Arbeit von Studierenden, Sammlungskurator/innen und Lehrenden an den Sammlungen. Dies unterscheidet sie von anderen universitären Sammlungs-Portalen. Zwar soll auch die Frankfurter Plattform einen systematischen Überblick bieten, indem „Steckbriefe“ die wichtigsten Eckdaten zu den Beständen, ihrer Struktur, Geschichte und Nutzung zusammenfassen; Hinweise auf aktuelle Neuigkeiten und Veranstaltungen runden das Informationsangebot ab. Im Zentrum aber steht die Auseinandersetzungen mit den Objekten: Die Studierenden der Studiengruppe verfassen „Objekterzählungen“, die Sammlungsstücke „zum Sprechen bringen“, indem sie diese genau beschreiben, analysieren, in den Kontext der Sammlung und Wissenschaftstradition einordnen und ihre Überlieferungsgeschichte nachzeichnen. Die originellen, anschaulichen Texte sollen einem breiten Publikum einen Einblick in die jeweilige Sammlung geben und zur näheren Auseinandersetzung mit ihr anregen. Fotografien zeigen die Objekte aus verschiedenen Blickwinkeln; Detailansichten und Vergrößerungsfunktionen lenken den Blick auf ihre Materialität. Filter- und Suchfunktionen erleichtern das Zurechtfinden und sollen den Besuchern/innen immer neue Objektzusammenstellungen ermöglichen.

Die Studierenden lernen bei der Erabeitung der Plattform das ganz eigene Erkenntnispotential von Objekten und die spezifischen Anforderungen im Umgang mit ihnen kennen und werden mit den fachübergreifenden Begrifflichkeiten und Methoden der Objektforschung vertraut gemacht, die in der regulären Lehre vieler Fächer kaum eine Rolle spielen. Die Plattform ist auf eine ständige Erweiterung angelegt – sie bietet die Möglichkeit, fortlaufend neue Lehr- und Forschungsprojekte einzubinden und neue Formate zu entwickeln. Sie erprobt und dokumentiert die interdisziplinäre, statusgruppenübergreifende Arbeit an Objekten der Wissenschaft. Damit erfüllt die Internetseite drei Funktionen: sie ist Informationsraum, Vernetzungsraum und Lehrraum. Programmiert wird sie von einem studentischen Mitarbeiter mit geisteswissenschaftlichem Hintergrund und breiter Programmiererfahrung, ihre Struktur und die zugrunde liegenden Gestaltungsideen wurden in der Studiengruppe entwickelt.

Die Plattform wird anlässlich einer Festwoche zum 100-jährigen Jubiläum der Goethe-Universität ins Netz gestellt. Sie ist zudem Teil der Ausstellung „Ich sehe wunderbare Dinge. 100 Jahre Sammlungen an der Goethe-Universität Frankfurt am Main", die die Studiengruppe anlässlich des Jubiläumsjahres initiiert hat und die vom 19. Oktober 2014 bis 8. Februar 2015 im Frankfurter Museum Giersch zu sehen sein wird.

Projektleitung und Kontakt:
Judith Blume, blume(at)pvw.uni-frankfurt.de
Dr. Vera Hierholzer, hierholzer(at)em.uni-frankfurt.de
Dr. Lisa Regazzoni, regazzoni(at)em.uni-frankfurt.de

Das Projekt ist am Forschungszentrum für Historische Geisteswissenschaften der Goethe-Universität Frankfurt angesiedelt und wird unterstützt vom Förderprogramm „Wandel gestalten“ des Stifterverbands für die Deutsche Wissenschaft und der Heinz Nixdorf Stiftung.