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Spitalobjekte. Materielle Kulturen des Spitals in der Vormoderne

Universität Regensburg
Spitalobjekte. Materielle Kulturen des Spitals in der Vormoderne

Die materielle Kultur ist ein boomendes Forschungsfeld, dessen interdisziplinär ausgerichtete Ansätze auch für die Untersuchung vormoderner Spitäler zahlreiche neue Erkenntnisse versprechen. Die Tagung widmet sich der materiellen Ausstattung von Spitälern mit Blick auf die hier nachweisbaren Objekte und die vielfältigen sozialen, kulturellen und ökonomischen Praktiken, die mit ihnen verbunden waren. Im Vordergrund steht die genuine Zweckbestimmung von Spitälern: nämlich die Pflege, Versorgung und Unterbringung von Insassen und die von den Zeitgenossen dafür als notwendig erachtete Ausstattung. Anhand ihrer Veränderung im Verlauf des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit lassen sich wesentliche Entwicklungsprozesse des Spitalwesens, aber auch die besonderen materiellen Herausforderungen, vor denen Spitäler etwa in Krisenphasen standen, herausarbeiten. Die erhaltenen oder in Text- und Bildquellen nachweisbaren Dinge und die mit ihnen verbundenen Dingkulturen erlauben plastische Einblicke in den Spitalalltag, der oft durch eine Ökonomie des Mangels geprägt war. Betrachtet werden sollen zum Beispiel:

  1. Lage und Gebäude (Größe, Struktur, Haptik, Temperatur, Licht, Sound) von Spitälern, die Aufschluss über Arbeitsabläufe, aber auch hygienische wie moralisch/ethische Vorstellungen geben
  2. Formen der Möblierung, Arbeitsgeräte, Geschirr, Bettzeug, etc., die Auskunft über den Lebensstandard der Insassen geben
  3. Verbrauchsgegenstände wie Nahrung und Kleidung, die auf soziale Strukturen in Spitälern verweisen, aber auch Kranke stigmatisierten und sie von Gesunden separieren sollten
  4. ihre Ausstattung mit im engeren Sinne medizinischen Geräten, Apotheken, Arzneien, Verbandsmitteln, Leichentüchern
  5. liturgische Objekte, aber auch andere religiös konnotierte oder für den Vollzug religiöser Praktiken genutzte Gegenstände (Andachtsbilder, Votivgaben, Bibeln, Musikinstrumente, etc.)
  6. Gegenstände des „privaten“ Gebrauchs bzw. Besitzes von Hospitalinsassen, soweit dieser erlaubt war, samt seinen Funktionen und damit ggf. verbundenen Konflikten
  7. Herrschaftszeichen und andere Objekte, die für Verwaltung und Herrschaftsausübung von Hospitälern genutzt wurden (Siegel, Schreibmaterialien, Bücher, etc.)
  8. materielle Überreste, mit denen im Spital lebende oder arbeitende Menschen ihre Präsenz zu fixieren versuchten, die im Zuge von Ausgrabungen zum Vorschein kamen oder von Besuchern zurückgelassen und aufbewahrt wurden
  9. dingliche Stiftungen und ihre Bedeutung für den Unterhalt von Spitälern

Es können sowohl einzelne bewegliche und unbewegliche Gegenstände in den Blick genommen werden (Spitalbetten im Zeitverlauf), bestimmte Objektgattungen (medizinische, religiöse, etc.) oder auch die materielle Ausstattung spezifischer Spitäler (auch standortgebundene oder mobile Militärhospitäler) in ihrer Gesamtheit. Dabei ist zu fragen, welche Rolle der jeweilige Typus des Spitals, das Geschlecht und Altersstrukturen seiner Insassen oder auch konfessionelle Zugehörigkeiten für die materielle Ausstattung von Spitälern und die damit verbundenen Praktiken besaßen. Wichtige Informationen bieten sowohl erhaltene Spitaleinrichtungen, in musealen Kontexten präsente oder durch Ausgrabungen gewonnene Objekte als auch Textquellen wie Spitalinventare, Spitalrechnungen, Spitalbeschreibungen in Reiseberichten, Spitalordnungen, Nachlässe, Testamente oder Inschriften, Ausgrabungen, aber auch die visuellen Darstellungen von Spitälern, die im Hinblick auf die materielle Kultur aufschlussreich sein können, nicht nur als Medien der symbolischen Kommunikation. Sie übermitteln zum Beispiel Idealvorstellungen der materiellen Ausstattung von Spitälern, zeigen aber durchaus auch – je nach Quellengattung und Entstehungskontext – zu bestimmten Zeiten tatsächlich existente Ausstattungen oder zumindest solche, die zeitgenössisch üblich waren. Im Vordergrund sollen weniger künstlerisch herausragende Objekte stehen, sondern bestimmte Objekte oder Objektgruppen, deren Gestaltung und Funktionalitäten wesentliche Aufschlüsse über alltägliche Abläufe im Spital sowie die vielfältigen sozialen Beziehungen zwischen den hier lebenden Menschen, aber auch zwischen diesen und der Welt außerhalb des Spitals erlauben. Zu diskutieren ist besonders, welche Vorstellungen von Gesundheit, Krankheit, Alter und Pflege materielle Objekte oder auch ganze materielle Settings in Hospitälern widerspiegeln.
Bitte senden Sie ein Abstract Ihres geplanten Beitrages (300-500 Wörter) und einen kurzen CV bis zum 31. Juli 2020 an sekretariat.fruehneuzeit(at)ur.de.

Portal „Wissenschaftliche Sammlungen“

Universität Regensburg
Veröffentlicht am 05.05.2020