Call for Papers
Call for Papers: Objekt:Listen. Medialität von Dingverzeichnissen in der Frühen Neuzeit
Herzog August Bibliothek/ Forschungsverbund Marbach Weimar Wolfenbüttel
Mit Dinglisten lässt sich Besitztum rekonstruieren, die Zirkulation von Gegenständen und (Objekt-)Wissen nachverfolgen und Konsumverhalten studieren. Entsprechend großes Interesse ziehen solche Aufzählungen in der Provenienz-, Handels- bzw. Konsum- und Leseforschung seit vielen Jahren auf sich. Es kann als Ausdruck dieses besonderen Stellenwerts der Liste für die Forschung betrachtet werden, dass sich heute auch die Digital Humanities dafür interessieren. In diesem Kontext werden textlich überlieferte Sammlungen visuell rekonstruiert. Im Sinne einer kulturellen Erweiterung traditioneller Ansätze wird dank des material turns darüber hinaus seit einigen Jahren dafür geworben, stärker auf die Objektbeschreibungen zu schauen und nach den sozialen, narrativen und epistemischen Logiken der Darstellung und ihrer Wirkmächtigkeit für die materielle Ausgestaltung unserer Welt zu fragen.
Die geplante Tagung möchte diese Perspektiven zusammenführen und erweitern, in dem sie aus einer praxeologischen Perspektive das Verhältnis von Akteuren, „Datenspeicher“ und den darin enthaltenen „Daten“ für die Frühe Neuzeit genauer in den Blick nimmt: Die geplante Tagung zielt darauf ab, die Liste in den Kontext diverser sozialer, kultureller und ökonomischer Praktiken der Frühen Neuzeit zu stellen und dabei ihre Medialiät aufzudecken. Dazu gehört die Frage, wie die Listen ihre Benutzung vorgeben, ihre Nutzer*innen steuern und damit eine genuine Handlungsmacht im Sinne Bruno Latours entfalten. Das übergeordnete Ziel dabei ist, genauer als bisher geschehen die kommunikative und epistemische Leistung solcher Verzeichnisse in ihren sozialen Bezügen zu analysieren und die Entwicklung ihrer Bedeutung im Verlauf der Frühen Neuzeit zu erhellen (Verhältnis von Präsenz- und Distanzmedialität).
Drei Themenkomplexe stehen im Zentrum, die jeweils mit Blick auf die Frage nach der Eigenart von frühneuzeitlichen Konstellationen erforscht werden:
- Produktionstechniken und Verwahrung der Listen: Unter welchen Umständen wurden diese angefertigt und zu welchen Zwecken? Mit welchen Strategien sollten die Listen Informationen vermitteln? Welche Narrative wurden angewendet? Nach welchen Prinzipien wurde Objektwissen in den Listen (re-)produziert? Wie wurde das Wissen über Dinge und ihre Werte verwahrt und zugänglich gemacht?
- Die agency der Listen und die Interaktion: Welche Bedeutung spielt die Liste in performativen Kontexten, wie und wo wurden die Listen genutzt? Welche zeitlichen und räumlichen Distanzen musste die Liste überbrücken? Wie steuern Listen die Interaktion zwischen den Akteuren und in Relation auf die Dinge und ermöglichen so die Kommunikation?
- Intermedialität von Listen: Wie interagieren Objektlisten mit anderen Texten? Wie werden intermediale Relationen hergestellt? Welche unterschiedlichen Ebenen von Beschreibung und Beobachtung sind zu erkennen, wie wird zitiert und referenziert?
Die Tagung wird organisiert vom Forschungsverbund Marbach Weimar Wolfenbüttel und der Herzog August Bibliothek und findet vom 4. bis 6. November in Wolfenbüttel statt.